“Motivation zum Denken” – Zusammenfassung Garagengespräche vom 9. Juli 2012

Auch die fünften Heidelberger Garagengespräche an diesem Montag waren geprägt von lebhaften Diskussionen. Auf die zentrale Frage „Welche Frage kann ich stellen, um den gewünschten Denkprozess in Gang zu bringen?“ folgte erst einmal Stille: Alle dachten nach, diese Frage hatte gewirkt.

Der erste konkrete Hinweis auf ein wichtiges Element zur Motivation brachte ein Architekt ins Spiel: „Bau ein Haus“ ist eine für einen Architekten typische Aufgabe, doch sie ist zu abstrakt. Sobald die Aufgabe weiter konkretisiert wird, z.B. durch Angaben wie „es soll ein Einfamilienhaus werden mit einem ausbaubaren Dachgeschoss, einer Tiefgarage und einer offenen Küche“ fängt die Vorstellung an, loszulaufen. Sogar Einschränkungen wie Baulinien oder Kostenrahmen können dann die Motivation steigern. Wer Motivation aufbauen will, sollte konkret formulieren: Greifbare, sinnesspezifische Aufgaben oder Fragen stellen und nötigenfalls großzügig mit Beispielen arbeiten.

Ein anderer Teilnehmer stellte früh fest: „Es ist das Delta, das motiviert„, es ist ein Unterschied: Vielleicht der Unterschied zwischen früher und heute, vielleicht der Unterschied zwischen meinen Kollegen und mir, vielleicht der Unterschied zwischen mir und meinem Kollegen, zum Branchendurchschnitt – viele Menschen ziehen Motivation und auch Frust aus Vergleichen. Das gilt jedenfalls, wenn es um externe Anreize wie Bezahlung, Firmenwagen und so weiter geht. Auch diese Erkenntnis wurde im Lauf des Abends mehrfach zitiert.

Die „Trickkiste der De-Motivation“ wurde auch immer wieder erwähnt, manchmal unter diesem Namen, manchmal als „häufig fehlende Hygienefaktoren“, manchmal als konkrete Szene wie beispielsweise Gehaltsgespräche. Wir waren uns einig, dass diese Trickkiste in den meisten Unternehmen groß und gut gefüllt ist, und dass die Unternehmen häufig Maßnahmen aus diesem Bereich ergreifen. Ob sie dabei die motivationsschädigende Wirkung bewusst in Kauf nehmen oder „nur“ fahrlässig die Motivation ihrer Mitarbeiter senken, haben wir nicht betrachtet.

Eine Notlage? – Eine Vision!

Die Frage, ob eine „Notlage“ sinnvoll zur Motivation beiträgt, wurde kontrovers diskutiert. Die meisten Wortmeldungen zu diesem Thema bezogen sich darauf, dass eine Notlage häufig zu Druck und Stress und damit zu Blockaden führt. Es mag Themen geben, bei denen eine gefühlte Notlage die Motivation verstärkt. Soweit es sich um die Motivation zum Denken handelt, ist Druck nicht der richtige Weg.

Konkret zitierte ein Teilnehmer eine Mitarbeiterumfrage, in der ein Gefühl von „Lack of Purpose“, von fehlendem Sinn der Tätigkeit, als Ursache für niedrige Zufriedenheitswerte ermittelt worden war.

Die Motivation hin zu einer begeisternden, sinngebenden Vision ist eindeutig einer Motivation „weg von“ einer Notlage vorzuziehen.

Beispiele

An drei sehr verschiedenen Beispielen, nämlich Open Source Programmierung, dem Computerspiel Battlefield 3 und an Start-Ups besprachen wir die nächsten Kandidaten für gute Motivationsquellen: Anerkennung und kurze Feedback-Cycles. Eine PhD-Kandidatin mit Spezialgebiet „Motivation in der Softwareentwicklung“ stellte fest:

Programmieren ist nicht extrinsisch motiviert.

Programmieren ist immer eine intrinsische Motivation.

Es geht dabei um Anerkennung, es geht um die Freude daran, etwas selbst zu gestalten. Gleichwohl kann diese intrinsische Motivation durch extrinsische Faktoren erheblich beschädigt werden, wie wir früher unter dem Schlagwort „Trickkiste der De-Motivation“ schon besprochen hatten.

Und oft zeigt sich ein Unterschied je nach Alter der Person: Jüngere suchen stärker nach Anerkennung und Erfolg im Vergleich mit anderen, während erfahrenere Entwickler („Erwachsene Entwickler habe ich noch nicht gefunden“) eher nach Schönheit und Eleganz in ihrer Schöpfung streben.

Alle waren sich einig, dass das optimale Ergebnis entsteht,

… wenn Aufgabe und Person zusammenpassen.

Dabei ist wichtig, dass subjektiv der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe gerade richtig ist: Wird die Aufgabe zu leicht erlebt, wird die Arbeit langweilig und die Motivation sinkt. Findet der Kandidat die Aufgabe zu schwer, wächst die Gefahr von Überforderung und Frust, und die Motivation sinkt auch. Es handelt sich um eine Gratwanderung, nach Kräften für jeden die richtige Aufgabe zu finden.

Dabei ergeben sich mittelfristig eigene Herausforderungen für die Unternehmensleitung: Welche Qualitäten sind für „unser“ Unternehmen bei den Mitarbeitern wirklich wichtig? Ist es eher der geniale Einzelkämpfer, der im Handstreich unglaubliche Dinge erfindet, aber gleichzeitig alle Quartale ein neues Projekt braucht? So eine Person würde ich in einer Werbeagentur erwarten. Oder ist eher der „Marschierer“ gesucht, der ohne große Genialität einfach seine Arbeit tut, das aber auf kontinuierlich hohem Niveau, auch über Jahrzehnte hinweg? Menschen mit diesem Charakter wären in der Wartung unternehmenskritischer Software sicher gut aufgehoben.

Dabei ergab sich eine interessante Frage: Die Menschen entwickeln sich weiter, die Firma auch. Vielleicht hat ein Start-up Bedarf an ausgeflippten Genies, doch die gleiche Firma braucht ein paar Jahre später überwiegend „Marschierer“. Falls im gleichen Zeitraum die Genies nur noch genialer wurden, ergibt sich eine schwer aufzulösende Schere. In dieser Allgemeinheit lässt sich dieser Gedanke leider nicht weiter verfolgen.

Auf den Punkt gebracht: Nicht nur der Inhalt der Aufgabe entscheidet über die gute Passung, auch ihre Struktur ist wichtig.

Selbstwirksamkeit erleben

Wer in dieser Weise jeden Tag an der Grenze seiner eigenen Fähigkeiten arbeitet, sollte auch ständig erleben, dass seine Arbeit von Erfolg gekrönt ist: Dass sein (ihr) eigener Beitrag tatsächlich einen Unterschied im größeren Ganzen macht. Dabei kann es sich bei einem Programmierer darum drehen, den Einsatz der Software mitzuerleben, oder bei einem Kundenbetreuer darum, dass er miterlebt, wie durch seinen (ihren) eigenen Einsatz ein Problem des Kunden tatsächlich gelöst wurde, oder einfach nur den eigenen Verbesserungsvorschlag in Aktion zu sehen.

Diese Form von unmittelbarem Feedback aus der wirklichen Welt ist sowohl sinnlich erlebbar als auch konkret relevant und steht darum als Motivationsquelle erst einmal auf der gleichen Stufe wie Lob, Belohnung, Anerkennung und Privilegien. Taten sagen eben mehr als Worte.

Team-Kultur und Vertrauen

Ein weiteres Thema zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussion: Die Team-Kultur, insbesondere das Vertrauen der Team-Mitglieder untereinander und zu den Vorgesetzten – dem Kernthema von BrillianTeams. Wir haben kurz die Frage nach dem Leitbild der Manager angerissen, und wir sind dann mehr auf die Vorstellung eines inspirierenden Teams eingegangen, das sowohl mit als auch ohne einer formalen Führungsperson zu Höchstleistungen aufläuft.

Bewusst provozierend stellte einer der Teilnehmer die These in den Raum, dass die Leistung einer Gauss-Kurve folge, und wir diskutierten über den Umgang mit den „Besten“ und den „Schwächsten“ im Team – und die frage nach den „Besten“ und den „Schwächsten“ Managern. Wie gestalten wir ein Unternehmen, so dass auch mittelmäßige Manager motivieren?

Ein interessanter Aspekt dabei war, dass die Vorstellung eines „Schwächsten“ zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann. Ein Mensch, der in seinem Team das Gefühl hat „der/die Schlechteste“ zu sein und alle anderen aufzuhalten kann so unter Druck stehen, dass der oben beschriebene Mechanismus einer Denkblockade einsetzt, und die Person auch die vorhandenen Möglichkeiten nicht mehr abrufen kann. So wird er/sie dann tatsächlich zum „Schlechtesten“.

Einen Ausweg bot uns die frühere Überlegung unter der Überschrift „wenn Aufgabe und Person zusammenpassen“: die Gauss-Kurve vereinfacht zu sehr, sie ist zu global. Die Menchen sind verschieden, und die Aufgaben auch. Wenn wir die Personen und Aufgaben individuell aufeinander abstimmen, gibt es keinen „Besten“ oder „Schwächsten“ mehr. Jeder hat eine Aufgabe, für die er optimal geeignet ist, jeder findet einen Platz in der Gruppe und die Vorstellung von Leistungsunterschieden weicht auf. Mögliche Dynamiken hinter solchen Gefällen sind in dem Artikel „In praise of bad programmers“ sehr schön dargestellt.

Ich denke, die Frage nach dem Umgang mit den „Besten“ / mit den „Schwächsten“ ist eine wichtige Frage zur Kultur des Teams, und meiner Erfahrung nach sind die erfolgreichsten Teams geprägt von einer Kultur, die auf gegenseitigem Respekt aufbaut und die individuellen Stärken hervorhebt.

 

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