“Menschen Zusammenbringen” – Zusammenfassung Garagengespräche Heidelberg vom 17. September 2012

Das Publikum bei den sechsten Heidelberger Garagengesprächen an diesem Montag war besonders vielfältig besetzt: Von den Branchenriesen bis zur zehn-Personen Unternehmerin war alles vertreten, und für besonders inspirierende Beispiele sorgte ein Gast von den Philippinen. Entsprechend leidenschaftlich wurde diskutiert: „Menschen zusammenbringen“ hat in jeder dieser verschiedenen Umgebungen mit Begeisterung, Disziplin und Freiräumen zu tun – doch die „richtige Mischung“ ist offensichtlich von der konkreten Lage abhängig. 

Das Eingangsstatement behauptete dieses Mal, dass vier wesentliche Elemente nötig sind, um Menschen zusammenzubringen:

  1. Ein Ziel oder eine Mission. Die Kriterien für SMARTe Ziele (sinnesspezifisch, messbar, „attainable“/erreichbar, realistisch, „timed“/termingebunden) seien in dieser Hinsicht nicht ausreichend, essenziell fehlt etwas wie „emotional mitreissend“, ein Aspekt, der die Menschen emotional zusammenbringt. Finanzziele fallen jedenfalls nicht in diese Kategorie.
  2. Großzügigkeit: Eine angenehme Arbeitsatmosphäre zur Verfügung zu stellen
  3. Was Du willst: So weit möglich, die Menschen für die Aufgaben oder in den Themenfeldern einzusetzen, die sie selbst interessieren. Das ist meistens auch, worin sie wirklich gut sind. Meistens, aber eben nicht immer.
  4. Aus dem Weg gehen und die Menschen sich entfalten lassen, gegebenenfalls Hindernisse aus dem Weg räumen.

Dabei wurden die Punkte „Großzügigkeit“ und „Hindernisse aus dem Weg räumen in der Diskussion schnell als zwei Seiten der selben Münze betrachtet. Ist das wirklich so? Dieser Punkt wurde von einem Teilnehmer so illustriert: Ein FedEx-Day(*) in einer Abstellkammer ist etwas anderes als ein FedEx-Day in einer Kantine – und genau dieser Aspekt war gemeint: Eben nicht nur die unbedingt nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern ein wenig darüber hinaus zu gehen.

Eine umfangreiche Diskussion entsponn sich rund um das Thema „Begeisterung“, Mitarbeiter einbinden und Manipulation: Eine anwesende Unternehmerin hatte die Themen „Mitarbeiter nach ihrer Meinung fragen“ und „Begeisterung entfachen“ so auf missverständliche Weise mit dem Gedanken „das Ergebnis steht vorher schon fest“ verknüpft, dass andere Teilnehmer alarmiert Manipulation witterten. Sogar von „Verarsche“ war die Rede. Wertvolle Gedanken wie etwa „Die Menschen wertschätzen und ihnen das Gefühl geben, Teil von etwas größerem zu sein“ oder „wie können wir wissen, was die Menschen tun wollen – das wissen sie ja oft selbst nicht…“ gingen zunächst in der allgemeinen Entrüstung unter.

Die Diskussion drehte sich weiter um den Aspekt der Manipulation. Auf der einen Seite stand die Erkenntnis, dass alle modernen Managementschulen manipulativ arbeiten: Auch Ansätze wie erfolgsorientierte Bezahlung zielen darauf, das Verhalten der Mitarbeiter zu beeinflussen. Auf eine gewisse Weise ist das ganze Thema „Menschen zusammenbringen“ davon geprägt, die Menschen dahingehend zu beeinflussen, dass sie Dinge tun, die sie von sich aus nicht tun würden. 

Auf der anderen Seite stand die Erkenntnis, dass zu intensive Manipulation inzwischen ohnehin nicht mehr funktioniert. Gerade Manager und hochqualifizerte Ingenieure haben schon so viele Kommunikationsschulungen erlebt, dass das Verhalten inzwischen in dieser Hinsicht auch wieder durchsichtig und vorhersehbar wird. Geben und Nehmen hat sich in solchen Umgebungen oft ziemlich stabil austariert.

Die Frage „Muss volle Begeisterung sein, oder genügt Begeisterung für Teilaspekte?“ läutete einen neuen Abschnitt der Diskussion ein. Zu meiner großen Überraschung war der allgemeine Tenor eher einer von „die Arbeit zu mögen hilft schon, doch es ist keine Voraussetzung.“ Vielleicht klang „Begeisterung“ einerseits zu sehr nach einem quartalsweise austauschbaren Hype als nach einer nachhaltigen positiven Grundstimmung. Jedenfalls wurden auch Disziplin und Dranbleiben bei Durchhängern als wichtige Punkte genannt. Angeblich ist jede Arbeit eine Mischung aus begeisternden und lästigen Aufgaben.

Im lockeren Geplaudere nach dem „offiziellen“ Teil wurde ich dann auf einen weiteren Punkt angesprochen, der hier eine mehr oder weniger große Rolle gespielt haben kann: Nachdem besagte Unternehmerin so mitreissend über die Stimmung in ihrem Unternehmen gesprochen hatte, könnten einige der anwesenden Angestellten Zweifel an ihren Lebensentscheidungen entwickelt haben und diese Lebensentscheidungen stellvertretend in der Diskussion verteidigt haben.

Von einem völlig anderen Problem mit Begeisterung berichtete unser Teilnehmer von den Philippinen: Er ist als Auswanderer aus Deutschland seit kurzem dort im Thema „erneuerbare Energien“ tätig, und in seinerm Umfeld sind alle begeistert und mit Feuereifer bei der Sache. Allerdings bleibt im Feuerwerk der Ideen immer wieder die Koordination auf der Strecke. Wie können wir die Balance zwischen Ordnung und Begeisterung halten?

Gerade in großen Firmen hat das mittlere Management immer wieder dir Brücke zu schlagen zwischen einer Ordnung, die von der Geschäftsleitung vorgegeben wird, und der Begeisterung, die sie hin zu den Mitarbeitern vermitteln wollen. Gerade wo der Manager die vorgegebene Ordnung selbst kritisch sieht, stellt sich auch die Frage nach der Authentizität: Wie bekommen wir hier wieder Authentizität ins System? – Und hier wurde eine verblüffend einfache und gleichzeitig weitreichende Antwort gegeben: Authentizität ist zuallererst eine persönliche Entscheidung, die Entscheidung, zur eigenen Meinung zu stehen und sich auf diese Weise auch als Individuum erkennbar zu machen.

Zuguterletzt berührten wir noch einmal ein Thema, das schon Eingangs – unter der Bezeichnung „Großzügigkeit“ schon kurz erwähnt worden war: Freiräume schaffen. Hier nahm es noch einmal die Ausprägung an davon, auch die Ideen anderer Menschen auf dem Weg zum Ziel anzunehmen und zu akzeptieren. Der Freiraum wird zum Freiraum, indem wir diese Gedanken annehmen und zulassen, auch wenn sie unseren eigenen Vorstellungen nicht entsprechen. Experten wollen mitgestalten, und um sie zusammenzubringen, müssen wir ihnen diese Gelegenheit auch ehrlich geben. 

Erst wenn wir zulassen, dass die Menschen um uns herum andere Wege zum gleichen Ziel gehen, bietet sich für uns Gelegenheiten, zu lernen.


(*) FedEx-Days: Ein modernes Instrument, in dem jeder Mitarbeiter frei ist, einen Tag lang zu tun, was er will – und die Ergebnisse am nächsten Tag vor der ganzen Firma (Abteilung, Arbeitsgruppe usw.) zu präsentieren. Gerüchten zufolge stammt der Name von einem Motto von FedEx ab: We deliver overnight.

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