Garagengespräche goes Munich

… weil es seit einem Jahr so viel Spaß macht gehen wir (die Garagengespräche und ich :-)) jetzt auch nach München. Am 20. September geht’s los., und für den Einstieg spiegeln wir einfach die Veranstaltung in Heidelberg am Montag der selben Woche: „Menschen zusammenbringen„. Wir treffen uns am Donnerstag Abend in der Taverna Keko in der Mariahilfstrasse, und dann geht’s los. Was geht los?

Die Garagengespräche sind eine Diskussionsveranstaltung: Zu Beginn gibt es eine kleine Einführung und einen Impulsvortrag – danach ist jeder herzlich eingeladen, aus seiner eigenen Erfahrung zu berichten, wie er/sie mit dem Thema umgeht. Dabei geht es im weitesten Sinne immer um „Experten und ihre Chefs“: Ich verwende den Begriff so, wie es die OECD hier schildert: “When a problem can’t be solved by rules, it is necessary to look for other solution methods – what can be called Expert Thinking. Expert Thinking is a collection of specific solution methods that vary with the problem at hand.

Ursprünglich drehten sich die Garagengespräche um die IT-Branche. Dort wurden uns diese Trends zum ersten Mal klar, denn dort ist die Lage offensichtlich: IT besteht praktisch nur aus “Experten” in diesem Sinn. Und alles was die IT wirklich verändert, beginnt… in einer Garage.

Heute ist das „Expertentum“ überall. Nachrichten nach Prioritäten sortieren, Aufgaben annehmen oder ablehnen und eine erste Vorkontrolle bei Arbeitsergebnissen wie vornehmen, das ist allgegenwärtig. Darum freuen wir uns über Teilnehmer aus allen Bereichen: Maschinenbau, Elektrotechnik, Medizin… und natürlich nach wie vor IT.

Apple, HP und Google haben in Garagen angefangen – jetzt ist die Frage, was der nächste große Sprung ist. Wir glauben, dass in einer Zeit in der täglich technische “Quantensprünge” gemacht werden, die Arbeitskultur (“working culture”) die nächsten großen Veränderungen bringt.

Wann Am 20. September, Beginn: 20:00
Wo Taverna Keko, Mariahilfstrasse 24, 81541 München
Was Garagengespräch: Community entwickeln und Erfahrungen austauschen

Falls Sie teilnehmen werden, melden Sie sich bitte bei MeetUp an oder schicken Sie eine Email an an garage@brillianteams.com.

Herzlichen Dank an meinen alten Freund Dominik Schröder, der die Vorbereitung vor Ort übernimmt.

 

Motivation, 4. These: Es kommt auf die Struktur an

Die Crux mit den Inhaltsmodellen

Die im vergangenen Teil der Serie besprochenen Inhaltsmodelle der Motivation passen zunächst einmal zu Alltagserfahrung der Menschen. Doch dabei bleiben Fragen offen: Wenn es derInhalt wäre, der uns motiviert, warum arbeiten so viele Menschen erst auf den letzten Drücker? Nehmen wir zum Beispiel einen Teenager, der sein (die ihr) Zimmer aufräumen soll. In einem Inhaltsmodell gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Aufräumen ist nicht motivierend. Dann ist das Aufschieben einfach zu erklären, doch es ist kaum zu erklären, wie er/sie am Ende doch ins Handeln kommt und aufräumt.
  2. Aufräumen ist motivierend. Doch warum handelt er/sie dann nicht sofort?

Es scheint noch einen weiteren Aspekt in der Motivation zu geben, der über den Inhalt hinaus geht, wir wollen ihn für den Augenblick „die Struktur“ nennen.

Eine Struktur der Motivation

Eine erste Erklärung bietet eine Unterscheidung zwischen „auf etwas hin“ und „von etwas weg„.

Es gibt Menschen, die die Vorstellung eines aufgeräumten Zimmers extrem attraktiv finden und aus dieser Vorstellung heraus sofort ins Handeln kommen. Diese Menschen arbeiten auf das aufgeräumte Zimmer hin, und normalerweise hören sie erst auf, wenn das Zimmer ihren Vorstellungen entspricht.

Anderen Menschen ist so eine Vision nicht wichtig. Sie tolerieren die mehr oder weniger ausgeprägte Ordnung im Zimmer bis zu einem gewissen Grad, irgendwann wird die Unordnung so unangenehm, dass sie anfangenvon der Unordnung weg zu arbeiten. Oft erreichen sie einen Zustand, der „gut genug“ ist und beenden die Aktion dann. Bei Teenagern läuft dieses Progamm auch oft, um eine Sanktion durch die Eltern zu vermeiden, auch „weg…von“ Sanktion entspricht dieser Struktur, ebenso wie „hin…zu“ Belohnung.

(Übrigens, wer gut aufgepasst hat, erkennt hier die Motivatoren und Hygienefaktoren aus These 2 wieder.)

Viele Struktur-Elemente, einige Gemeinsamkeiten

Es gibt viele solcher Strukturen, wir untersuchen einige davon gleich noch einmal mit etwas mehr Detail. Allen gemeinsam ist:

  1. Das alles ist abhängig vom Kontext, doch im Kontext sind die Muster bemerkenswert stabil. Ein guter Freund von mir ist ein hervorragender Manager. Im Job weiß er ganz genau, was zu tun ist, und zu Hause fragt er bei jeder Kleinigkeit seine Frau. (siehe unten unter „internal / external“)
  2. Keines der Muster ist an sich gut oder schlecht, es gibt Aufgaben, die besser zu dem einen oder anderen Muster passen: Ein Verkäufer sollte zum Beispiel eine ausgeprägte „hin…zu“-Motivation mitbringen („hin…zu Abschluss“), ein Lektor sollte eher eine „weg…von“-Struktur leben („weg…von Fehler“).
  3. Kaum einer ist „schwarz“ oder „weiß“, ganz am einen oder anderen Ende der Skala.
  4. Es handelt sich um Stress-Muster: Je entspannter der Mensch, umso einfacher ist das ganze Verhaltens-Spektrum erreichbar.

Weitere Motivations-Strukturen

Internal / external“ wurde oben schon erwähnt: Sind die Kriterien „in Ihnen“, oder sind sie „außen“? Wenn Sie beim Kleiderkaufen aus der Umkleidekabine kommen, haben Sie eine Meinung bevor oder nachdem Sie die Antwort auf die Frage „gefällt es Dir?“ gehört haben?

Wenn sie Input von außen bekommen, folgen Sie dem Rat anderer, oder tun Sie eher das Gegenteil? Hier sind wir wieder bei dem Teenager-Beispiel. Viele Teenager haben ausgeprägte Trotz-Reaktionen, und viele Menschen legen das mit dem Erwachsenwerden nicht ab. Eine Formulierung wie „Ich habe Deiner Mutter schon gesagt, dass Du es auch heute nicht schaffen wirst, aufzuräumen…“ kann ganz bemerkenswerte Ergebnisse erzielen. „Gleichbeispielsortieren“ und „Gegenbeispielsortieren“ heissen diese Muster.

„Herr Müller braucht das heute abend, damit er morgen sinnvoll arbeiten kann“, und „Das Dokument muss um 17:00 fertig sein“: Auf welchen dieser beiden Sätze reagieren Sie intensiver? Steht für Sie die Person im Vordergrund, oder die Aufgabe?

„Wie war der letzte Urlaub?“… Manche Menschen antworten „Schön.“ Und auf mehrfaches Nachfragen: „Griechenland ist einfach toll.“ Andere fangen an mit: „Oh wir hatten so einen Stress… das fing schon an, bevor wir überhaupt am Flughafen waren. Erinnerst Du Dich, ich bin doch an meinem letzten Tag im Büro zehn Minuten früher gegangen, damit ich den Bus um 16:55 noch erwische. Da hat mich die Frau Meier vom Empfang noch gefragt, … … …“ und ich denke noch“… das kann dauern…“ Fest steht: Manche Menschen lieben Details, andere Menschen den Überblick.

Ausblick

Es gibt noch etliche mehr dieser Strukturen, doch für eine Einführung sollen diese fünf genügen. Gerade im Coaching habe ich schon oft erlebt, dass der behutsame Umgang mit diesen Mustern Türen öffnen und Menschen bewegen kann jenseits dem, was wir uns im ersten Moment vorgestellt hatten. Darum nutze ich dieses Denken über Strukturen sehr häufig im Coaching.

Doch am Ende ist – für mich – die zentrale Aussage zum Thema Motivation nach wie vor: Motivation ist subjektiv.

Motivation, 3. These: Es kommt auf den Inhalt an

Auf die Frage „Was machst Du gerne?“ antworten Menschen normalerweise mit Tätigkeiten: Sport, Kochen, am Auto schrauben und so weiter. Kein Wunder, so ist die Frage ja gestellt. Ob da wohl ein Schema dahintersteckt?

Der tiefere Gedanke hinter dieser Frage ist: Was sind die Tätigkeiten, die Dich sozusagen aus sich selbst heraus motivieren? Was tust Du gerne, einfach weil das Tun selbst Spaß macht?

Der Gedanke, dass der Inhalt einer Tätigkeit entscheidend sein könnte für die Motivation führt zu einer ganzen Familie von Motivationsmodellen, zu den Inhaltsmodellen der Motivation. Eines davon haben wir in dieser kleinen Serie schon kennengelernt: Die 2. These, Verstärker und Hindernisse sind unabhängig voneinander, beschrieb die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg, die zu den Inhaltsmodellen gehört.

Ein weiteres dieser Modelle ist die „Theorie der 16 Lebensmotive“ nach Steven Reiss. In dieser Vorstellung hat jeder Mensch seine eigene, individuelle Mischung aus 16 Lebensmotiven:

  • Anerkennung: Menschen suchen Lob und Anerkennung und vermeiden Kritik
  • Beziehungen: Der Mensch ist ein soziales Wesen und sucht Gesellschaft, Beziehungen, Freundschaften
  • Ehre: Menschen haben ein Bedürfnis danach, „ehrenwert“ zu handeln, also ihre eigenen Prinzipien einzuhalten
  • Eros: Menschen haben ein Bedürfnis nach Sexualität
  • Essen: Menschen haben ein Bedürfnis nach Nahrung
  • Familie: Menschen streben nach Familie, in diesem Zusammenhang vor allem danach, Kinder in die Welt zu setzen und aufzuziehen.
  • Idealismus: Das Streben nach einer besseren Welt
  • Körperliche Aktivität: Sport…
  • Macht: anderen Vorschriften machen
  • Neugier: Streben nach neuen Erkenntnissen
  • Ordnung: Bedürfnis nach Struktur
  • Rache: vergangene Erlebnisse vergelten
  • Ruhe: inneren Frieden finden
  • Sparen: materielle Güter sammeln und anhäufen
  • Status: Bedürfnis nach Prestige
  • Unabhängigkeit: Bedürfnis nach Autarkie

Dabei sind diese Lebensmotive wertfrei: obwohl es Menschen gibt, die einige dieser Lebensmotive moralisch für wertvoller als andere halten, ist diese Aufstellung doch eine neutrale Bestandsaufnahme. Jeder Mensch, so Reiss, hat jedes dieser Lebensmotive – mehr oder weniger ausgeprägt. Die meisten dieser Lebensmotive können sogar „negativ“ ausgeprägt sein, es gibt beispielsweise Menschen, die Beziehungen und Bindungen gezielt vermeiden und so weiter.

Wie auch beim Zwei-Faktor-Modell (wahrscheinlich wie bei jedem Modell der Motivation) genügt auch dieser Ansatz keinen wissenschaftlichen Ansprüchen, und wie auch das Zwei-Faktor-Modell hat es – vor allem in den Händen eines entsprechend geübten Coaches – durchaus seinen praktischen Nutzen.

Motivation, 2. These: Verstärker und Hindernisse sind unabhängig voneinander

Vielen fällt beim Stichwort „Motivation“ als erstes die „Zwei-Faktoren-Theorie“ von Herzberg ein. Ihr Kern ist die These, dass Motivationsverstärker und Motivationshindernisse unabhängig voneinander sind.

Ein praktisches Beispiel

Angenommen, jemand konzipiert ein neues Bürogebäude und vergisst dabei die Toiletten. Wie wirkt sich das auf die Motivation aus? Oberflächlich betrachtet passieren seltsame Dinge in den umliegenden öffentlichen Toiletten. Wer genauer hinsieht erkennt, dass die Arbeitskräfte in diesem Büro ziemlich genervt sind. Ein Motivationshindernis ist eingetreten. Nach einer Umbauphase stehen pro 20 Mitarbeiter eine Toilette zur Verfügung, das Motivationshindernis ist entfernt.

Würde es einen Unterschied in der Motivation machen, wenn jeder Mitarbeiter seine eigene Toilette hätte? – Es wäre machbar, ändert aber normalerweise weder die Motivation noch die Arbeitsleistung. Es gibt so etwas wie „genug Toiletten“.

Umgekehrt kann man z.B. von Lob nie zu viel bekommen, wenigstens so lange das Lob authentisch wahrgenommen wird. Es scheint also Elemente im Berufsleben zu geben, von denen es „kein zu viel“ gibt. Obwohl viele Mitarbeiter in der Praxis mit sehr wenig oder ganz ohne Lob auskommen, führt doch jedes weitere authentische Lob zu einer deutlich stärkeren Motivation: Lob ist also ein Motivationsverstärker.

Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg

Das ist der Kern der Zwei-Faktoren- Theorie: Was motiviert zerfällt in zwei große Klassen: „Hygienefaktoren“, die die Motivation bremsen, und „Motivatoren“, die die Motivation verstärken. Herzberg beobachtete, dass die Motivatoren typischerweise aus der Tätigkeit selbst entspringen, während die Hygiene-Faktoren von außen gegebene Bedingungen (KITA-Faktoren, Kick-In-The-Ass-Faktoren – typische Zuckerbrot-und-Peitsche-Führung) waren.

Insbesondere gilt für Herzberg Bezahlung als Hygienefaktor: Der positive Effekt einer Gehaltserhöhung auf die Motivation klingt schnell ab, doch der Frust über die Vermutung, unterbezahlt zu sein, kann ein erhebliches Motivationshindernis sein.

Damit können vier Situationen entstehen:

  • Die Motivation ist gut, und wir erleben keine relevanten Motivationshindernisse –> Hochleistung
  • Die Motivation ist schlecht, und wir erleben keine relevanten Motivationshindernisse –> Söldner-Mentalität
  • Die Motivation ist schlecht, und die Motivationshürden sind groß –> Lethargie
  • Die Motivation ist gut, und die Motivationshürden sind groß –> Frust

Obwohl die akademische Welt sich inzwischen weiterentwickelt hat und wesentlich detailliertere und präzisere Modelle vorliegen, ist für mich diese Erkenntnis aus der Zwei-Faktor-Theorie ständig praktisch relevant: Sowohl Motivationshindernisse als auch Motivationsverstärker verdienen ständige Aufmerksamkeit.

Motivation, 1. These: Motivation ist subjektiv

Auf vielfachen Wunsch nehmen wir uns in den nächsten Garagengesprächen das Thema „Motivation“ vor. Da das Thema schon in bemerkenswerter Vielfalt erforscht ist, biete ich hier einen Einstieg zur Motivation an, wie ich „Motivation“ in der Arbeit als Coach und Trainer einsetze.

Zunächst ist Motivation für mich ein Thema, das höchst subjektiv ist.

Natürlich gibt es viele hervorragende Wissenschaftler und viele wissenschaftlich fundierte Arbeiten zum Thema. Doch eine wissenschaftlich-objektive Aussage wie „78% der Befragten begannen nach Input X, zu handeln“ ist für das Coaching praktisch wenig hilfreich. Ich stehe einer konkreten Person gegenüber, nicht einer statistischen  Gesamtheit. Mich interessiert, ob diese konkrete Person ins Handeln kommt oder nicht, also ist für mich als Coach (und sicher genauso für eine Führungskraft) die individuelle Motivation viel wichtiger als die statistische.

Inzwischen bestätigt meiner Erfahrung das in der Coaching-Ausbildung Gelernte: Jeder Mensch hat für Motivation seine eigenen, wiederkehrenden Muster. Diese Muster können nicht ohne weiteres auf andere übertragen werden. Gleichzeitig sind die Motivationsmuster für diese Person charakteristisch, für diese Person „funktionieren“ sie sehr zuverlässig.

 

„Manager werden“ gegen eine Karriere-Sackgasse?

Im Kontext der Frage nach der Karriere-Sackgasse für Programmierer ist in einem aktuellen Artikel von Wired Online („Why Do Some Programming Languages Live and Others Die?„) dieses Zitat interessant:

Most programmers learn three to four languages, the researchers say, but then stop. “Over time, you’d expect that as developers get older, they’d get more wisdom; they’d learn more languages,” Meyerovich says. “We’ve found that’s not true. They plateau.”

Part of the problem is that by the time they hit 35 to 40 years old, they’re often moving from hands-on coding to managing other programmers.

Das ist sicher ein Ausweg aus der Karriere-Sackgasse, doch die Geschichte mit „…often moving from hands-on coding to managing…“ passiert nur in Firmen, die selbst (noch) schnell wachsen. Ab einer gewissen Größe bildet sich etwas wie ein Karriere-Rückstau. Für jeden neuen Manager müssten etwa 5-10 neue Programmierer in die Firma kommen. Das klappt in jungen Firmen, doch spätestens wenn 1000 Programmierer in der Firma arbeiten, ist klar, dass nur noch ein Bruchteil zum Manager befördert werden kann – vor allem, weil zu diesem Zeitpunkt schon zwischen 100 und 200 Manager-Stellen besetzt sein müssen.

Dazu kommt, dass nicht jeder Programmierer tatsächlich Manager oder Projektmanager werden will (oder sollte).

Wider die Karriere-Sackgasse

Am  21. Mai hatten wir das Zwischenergebnis: “Experten sind per Default in der Sackgasse”. Hier sind – meinen Recherchen nach – mögliche Auswege. Dabei lege ich hier besonderen Wert auf Wege, die für einen Experten ohne Unterstützung von außen selbst erreichbar sind. Ausgangspunkt waren dabei vor allem Experten, die offensichtlich gegen diese Karriere-Sackgassen immun waren. Wie haben sie es gemacht?

Ein klares Karriere-Ziel

Der Ausgangspunkt für jede Überlegung zum Thema Karriere ist ein explizites, klares Ziel. Dabei ist gegen ein Ziel à la „auf dem jetzigen Niveau bis zum Ruhestand“ nichts einzuwenden, doch auch das sollte explizit sein und regelmässig mit den organisatorischen und technischen Strömungen abgeglichen werden. Die Faustregel ist: Wer noch 20 Jahre bis zum Ruhestand hat, sollte sich innerlich auf mindestens einen Technologiewechsel und mehrere Umorganisationen in der Firma einstellen.

Sehr viele Menschen hatten keine wirklich klaren Karriereziele. Woran erkenne ich nun, dass mein Karriere-Ziel klar ist? – Am einfachsten daran, dass ich mich gedanklich in das erreichte Ziel versetze und möglichst viele Elemente dieses Arbeitstages male: Wie sieht mein Büro aus? Wie sieht mein Terminkalender aus? Habe ich Besprechungen, wie sehen die Besprechungsräume aus, wer ist dabei, worum geht es? Und so weiter. (Dazu in einem anderen Blog-Eintrag mehr). Und: Wie sieht ihr ganzes Leben aus, in das dieser Karriere-Traum eingebettet ist?

Je mehr Sie wie in Tagträumen in diesen inneren Filmen schwelgen, desto klarer wird das Ziel. Doch woran erkenne ich nun, dass es nicht in eine Karriere-Sackgasse führt, sozusagen: Woran erkenne ich, dass das Ziel auch gut ist?

Das richtige Thema

Das erste Element zu einem guten Karriereziel ist das richtige Thema. Bei der Arbeit mit denjenigen Experten, die jeden Technologiewechsel für ihre Karriere nutzen, ist mir aufgefallen: Sie spezialisieren sich nicht primär auf eine Technologie, ihre Expertise besteht aus einem Tandem aus „Problem“ und „Lösung“, aus Domänenwissen und Technologie.

Einer meiner Freunde beispielsweise hat über die Jahre hinweg nacheinander mit den UI-Technologien von SAP (Dynpro), Microsoft (Visual Basic), Java (Servlets und JSP), und Ruby on Rails gearbeitet. Natürlich wurde er auch schnell ein guter Progammierer in jeder dieser Technologien. Und sein stetig wachsendes Wissen über Benutzerfreundlichkeit unabhängig von der Technologie war der Schlüssel für ihn, der ihm die Wechsel von einer Technologie zur Nächsten ermöglichte. Er ist nicht primär ein Experte in einem dieser Programmier-Frameworks, er ist primär ein Problem-Löser, der Mensch, der benutzerfreundliche Bildschirme gestaltet und sich dazu des passenden Werkzeuges bedient.

So funktioniert die Karriere-Falle: If you are a hammer, then every problem looks like a nail. Immunität gegen die Karriere-Sackgasse entsteht sozusagen aus dem genannten Tandem aus Problem und Lösung.

Inzwischen hat auch die Fachliteratur das Thema be- und ergriffen und bietet Bücher an wie „7 Wochen, 7 Sprachen“ oder „Seven Databases in Seven Weeks“ (leider noch nicht übersetzt), die diese Verbindung verstärken.

Der Hintergrund davon ist natürlich, dass die Technologie-Entwicklung wenigstens in der IT in Sprüngen verläuft: für eine konkrete Aufgabenstellung wird entweder Java verwendet oder Ruby on Rails, und diese entweder-oder-Entscheidungen verändern sich im Lauf der Zeit.

Dagegen entwickelt sich Wissen über die Aufgabenstellung viel kontinuierlicher: Da lernen wir mehr über einen weiteren Spezialfall, durchschauen mehr und mehr Zusammenhänge und finden neue Worte für alte Antworten auf bekannte Fragen.

Das betrifft auch den Kommentar zum Blog-Post vom 21. Mai. Oliver Wildenstein schrieb: „…bei querschnittlichen Themen wie Prozessmanagement, Zeitmanagement, Moderation etc. sieht die Lage meiner Meinung nach anders aus …“ – genau: Neue Erkenntnisse in diesen Themenfeldern haben diesen zwingenden entweder/oder-Charakter der grundlegenden Technologie-Entscheidungen nicht. Allerdings sind Zeitmanagement und Moderation normalerweise Fähigkeiten, die eine Spezialisierung ergänzen, nicht ersetzen. Das wirft die Frage auf: Womit kann ich meine fachliche Expertise noch ergänzen?

Experte++

Wir haben so weit festgestellt, dass die Kombination aus Wissen über die Domäne mit Wissen über die Lösung eine potenzielle Karriere-Sackgasse wirksam aufbricht und neue Möglichkeiten für die Weiterentwicklung freisetzt. Was wäre noch nützlich, sowohl um eine Karriere-Sackgasse zu vermeiden als auch um dem Karriere-Ziel immer näher zu kommen?

Diese Frage war eine der inspirierendsten auf den Garagengesprächen am 21. Mai.

Die Antwort zu dieser Frage kann ich Ihnen hier nicht geben, Sie finden sie selbst in Ihrem eigenen Leben, zum Beispiel in ihrem eigenen Karriereziel, in Ihrem Alltag, und im Feedback der Menschen um Sie herum. Typische Kandidaten sind Fähigkeiten wie Zeitmanagement, Moderation, Führen und Überzeugen ebenso wie Zuhören, Analysieren ebenso wie Präsentieren und so weiter.

Natürlich gehört auch ihr persönliches Netzwerk dazu: auf eine ganz natürliche Weise treffen Sie sich ständig mit Menschen, die ihr heutiges Interesse teilen. Angenommen, das Leben Ihrer Träume enthält einen lange vernachlässigten Sport wie zum Beispiel Golf oder Schach. Was würde wohl passieren, wenn Sie sich gezielt mit mehr Menschen umgeben, die diesen Sport schätzen?

Zusammenfassung: Garagengespräche vom 30. Januar

Auch im Garagengespräch vom 30. Januar 2012 ging es engagiert zur Sache. Hier ist ein Überblick der Themen, die wir im Lauf der eineinhalb Stunden diskutiert haben:

Das Eingangsstatement: Plan und Ziel

Anlässlich der Planungsgespräche, die im Januar in vielen Firmen stattfinden, haben wir das Thema „Plan und Ziel“ eingeplant. Eine alte Projektmanagement-Weisheit lautet „Kein Schlachtplan überlebt den ersten Kontakt mit dem Feind“. Modernes Projektmanagement kennt dazu den Begriff der „Progressiven Elaboration“, der fortlaufenden Weiterentwicklung des Projektplanes während des laufenden Projektes. Das funktioniert hervorragend, solange das Ziel des Projektes von Anfang an klar ist. Der Haken an der Sache ist, dass wir in IT-Projekten oft das Ziel gar nicht wirklich kennen, bis die ersten Prototypen uns ermöglichen, das System und seinen Einfluss in der Praxis zu erleben. Also stellt sich die Frage: Wie viel „Ziel“ braucht der Plan von Anfang an, wie viel Ziel entsteht auf dem Weg?

Highlights der Diskussion

Visionen und Ziele

  • Es gibt eine Forderung, dass eine Vision ~30 Jahre umfassen sollte. Ist das heute noch sinnvoll?
  • Visionen sind nicht verhandelbar.
  • Visionen sind so formuliert, dass sie den Lösungsraum der eigentlichen Aufgabe nicht (oder nur minimal) einschränken
  • Um sicherzustellen, dass das Produkt sich noch dem eigentlichen Ziel annähert, ist eine ständige Validierung mit den Kunden erforderlich (siehe unten zu Politik)

Die Dichotomie: Engineering vs. Emotionalisieren

Für mich entstand in der Diskussion eine Unterscheidung zwischen „Engineering“ und „Emotionalisieren“. Vielleicht wäre das ein Thema für ein eigenes Garagengespräch. Engineering war charakterisiert durch Parallelen zum Maschinenbau, basierend auf der Hypothese: Wenn in der IT nur endlich anständiges Software Engineering betrieben würde, wäre auch IT viel besser planbar, und wir bräuchten die aktuelle Diskussion nicht führen, denn „Wasserfall“ wird machbar. Ein wesentliches Element dazu wäre eine saubere Zerlegung sowohl der Anforderungen als auch der Lösung in zueinander passende Einheiten. Dann könnte Innovation von überschaubaren, abgeschlossenen Einheiten stattfinden. Auch im Maschinenbau gab es agil-artige Ansätze („Concurrent Engineering“). Wie weit dieser Vergleich trägt, war umstritten: „Es gibt keine Physik in der IT“ war ein Slogan, Moore’s Law (umgangssprachlich: dass sich die IT-Performance alle 18 Monate verdoppelt) gibt es dafür in den klassischen Ingeneurwissenschaften nicht.

„Emotionalisieren“ deutet auf den intensiven Trend in der Software-Industrie hin, Produkte auch emotional attraktiv zu machen. Da die emotionale Wirkung noch schwerer vorhersehbar ist, passt das – aus meiner Sicht – offensichtlich hervorragend zu agilen Methoden. Henry Ford wurde zitiert: „Wenn ich die Menschen nach ihren Wünschen gefragt hätte, hätten sie geantwortet: schnellere Pferde“. Essentiell ist also, die Nutzer zu beobachten und nicht nur zu fragen, um Konzepte zu validieren. Im Zusammenhang mit Emotionalisierung leben dann Methoden wie Design-Led Innovation auf.

Ein spannender Teil-Aspekt dabei war, dass politische Überlegungen nicht nur auf der Anbieter/Hersteller/Dienstleister-Seite eine Rolle spielen, sondern bei komplexen Produkten auch beim Kunden: Ein Einkäufer will den Preis drücken, ein Vorstand will die Auswertungen, und die Mitarbeiter wollen ein sinnvolles User-Interface für die Datenerfassung. Diese Interessen haben miteinander nichts zu tun.

Notfall-Einsätze („War Rooms“)

Gerade im Kontext von sehr großen Konzernen, auch und gerade mit Wasserfall-Prozessen, wurde der überraschende Effekt berichtet, dass in Notfällen auch ein Großkonzern üblicherweise von einigen wenigen Personen abhängt. Eine gängige Praxis ist wohl, diese Personen dann in ein Notfall-Projekt zusammenzubringen. Diese Notfallprojekte wurden charakterisiert durch:

  • Klare Ziele, hohe Autonomie in der Umsetzung („offene“ Pläne)
  • Weitgehende Entscheidungsbefugnisse für die Mitarbeiter des Notfall-Projektes
  • Hohe Ehrlichkeit (wobei sich in meinem Verständnis „Ehrlichkeit“ qualitativ über „Transparenz“ hinausgeht und umfasst)
  • Volle Unterstützung der Unternehmensführung, sowohl moralisch als auch mit Ressourcen.

Und: Normalerweise liefern diese Notfallprojekte zuverlässig ein brauchbares Ergebnis (auch wenn keine belastbaren Daten zum Thema bekannt waren).

Umgekehrt liegt die Vermutung nahe, dass normale Projekte diese Punkte nicht erfüllen, das würde eines oder mehrere der Folgenden bedeuten:

  • auch wenn die Ziele nicht klar sind, wird ein – eventuell sogar zertifizierter – Prozess abgearbeitet
  • die Entscheidungsbefugnisse sind mehr oder weniger von der Fachkompetenz getrennt,
  • Ehrlichkeit und Transparenz haben Verbesserungsbedarf
  • Die Unternehmensführung unterstützt die Projekte nicht, Ressourcenknappheit kann von Mitarbeitern auch als Geringschätzung erlebt werden.

Leider wurde die mehrfach gestellte Frage, was wir daraus für Standard-Projekte lernen könnten, in der Runde nicht beantwortet. War Rooms wurden als ultimatives Versagen der Organisation bezeichnet. Meine Interpretation ist: Auch wenn ihr Ursprung im Versagen liegt, sind War Rooms trotzdem ein Prototyp für agile Methoden und Scrum. Allerdings muss der Anspruch an „Sustainable Pace“ noch hinzugefügt werden. Und dann stellt sich noch die Frage, wie diese Punkte in der Praxis realisiert werden können: Ehrlichkeit kann einfach außerhalb einer War-Room-Atmosphäre mit der eigenen Karriere interferieren, und so weiter.

Links

Seite mit Hinweisen zu Bau-/Ingenieurprojekten, die deutlich aus dem Zeitplan und/oder Budget liefen: Wikipedia: Cost Overrun

Dieser Quora-Thread Why are software development task estimations regularly off by a factor of 2-3? enthält viele einschlägig interessante Beiträge.